Jugendkunstwerkstatt

Kunstreich 2015 "Die Legende vom Glück"

Helden und Legenden werden in diesem Jahr den Kultursommer in Rheinland-Pfalz bestimmen und auch wir nehmen uns diesem Thema an und gehen einer ganz besonderen Legende nach, nämlich der Legende vom Glück.

Wir fragen uns: Gibt es heute noch Legenden und wie können wir sie lesen, das heißt, erkennen und durchschauen?

Die Helden der griechischen und germanischen Mythen sind ungewöhnliche, weit über dem Normalmenschen stehende Gestalten. Ähnliches gilt auch für die Heiligen, über die Legenden berichten. Der Held ist schon durch Abstammung besonders, der Heilige durch fast übermenschliche Frömmigkeit gekennzeichnet. Und beide werden eingebunden durch außerordentliche, von höheren Mächten gestaltete Umstände, selbst wenn sie ein tragisches Schicksal erleiden. Der Nachruhm in der Heldenmär oder der Heiligenlegende überstrahlt ihr persönliches Schicksal.

Heute sind wir sehr viel skeptischer gegenüber diesen Geschichten, finden diese vielleicht immer noch spannend oder anrührend, haben aber nicht mehr den Glauben oder die feste Überzeugung, dass es so gewesen sein könnte und -noch viel entscheidender- dass dieses Geschehen Sinn macht.

Ebenso distanziert sind wir damit gegenüber den Geschichten, die dieses Heldentum berichten, aber auch gegenüber den modernen Mythen, die sich in unserer Gesellschaft um solche Geschehnisse, nun gelöst von einem direkten Personenbezug, ranken. "Jeder ist seines Glückes Schmied", "Wenn du nur wirklich willst, kannst du alles erreichen", "the pursuit of happiness", wie es die Amerikanische Verfassung formuliert, betrachten wir mit Skepsis, denn wir wissen, dass es dazu bestimmter Bildungs- und ökonomischer Voraussetzungen bedarf, die keineswegs jedermann erfährt.

Gleichzeitig aber träumen wir immer noch -zumindest zeitweise- vom "Großen Glück",  also davon, dass auch wir selbst vielleicht ein Held werden könnten, dass wir alles bewegen und erreichen können.

Held sein, Heldentaten erträumen und die uns umgebende Realität, die uns durchaus bewusst ist, durchdringen sich in unseren Erwartungen und Gefühlen daher auf eine sehr merkwürdige Art. Natürlich wissen wir von der Unmöglichkeit "das Glück" erreichen zu können. Aber wir haben uns Ausweichräume geschaffen. Wir warten in einer Beziehung auf die "wahre" Liebe, wir suchen Halt in stabilen Partnerschaften oder festen Freundschaften. Die Legende von dem was uns der Realität enthebt und uns in einen Raum versetzt, in dem alles möglich ist, wird umgedeutet zu möglicherweise tatsächlich erfüllenden Beziehungen zu uns nahestehenden Personen. Das kann auch so weit gehen, dass diese Beziehungen nicht mehr auf Menschen zielen, sondern auf Ersatzprodukte. Dinge wie das PS-starke Auto, die teure Fernreise, das imponierende Haus oder das neueste Handy stehen dann für unsere Projektionen das wahren Glücks.